
Als der Flieger landet, bin ich verwirrt. Hatten wir eine Notlandung auf einem Feld? Wo ist der Flughafen, wo ist der Steg der sich immer ans Flugzeug andockt? Ich seh ein paar Lichter, dann ein paar Häuser. Häuser, aber keine Flugzeuggebäude. Dann seh ich eine Flugzeugtreppe. Sie fährt an das Flugzeug heran. Alle springen auf und warten ungeduldig, dass sie aussteigen können. Zuerst kommt eine Ansage auf Kasachisch, die erstmal mehrere Male wiederholt wird, bis sie weiter auf Russisch umspringt. Endlich gibt es die Infos auch für mich verständlich auf Englisch. Der Bus hatte Verspätung, deshalb sollten wir noch ein wenig Geduld haben. Im Nachhinein war das eine lustige Aussage, da das Gebäude, welches den Flugzeughafen darstellte, kaum weiter weg war als 50 Meter. Ohnehin war unser Flugzeug das einzige auf dem ganzen Flughafen.

Endlich kam der Bus und wir konnten alle aussteigen. Er fuhr die schon erwähnten 50 Meter und alle stiegen aus, um sich in den winzigen Transitbereich zu quetschen. Jeder Einreisende muss einen Zettel ausfüllen, auf dem er alles angibt was er von ausserhlb mitgebracht hat. Man muss auch Namen, Adresse, ob man eine Krankenkarte hat und vieles mehr angeben. Den ausgefüllten Zettel muss man mit seinem Pass an der Passkontrolle vorzeigen. Ich brauchte das nicht, da ich noch unter 16 Jahre alt bin.
Als ich dran war, dauerte es länger, da ich ja alleine in das Land einreiste. Ich gab dem Grenzpolizisten die Erlaubnis von meiner Mutter, dass ich alleine einreisen und mit Leuten, die mich von Ort zu Ort bringen, mitfahren darf. Es dauerte eine Viertelstunde,, bis ich durch die Kontrolle gelassen wurde. Ich schwitzte Blut und Wasser. Ich dachte schon die lassen mich wohl nie durch. Gottseidank konnte ich die Kontrolle passieren, nachdem sich fast alle Grenzpolizisten meiner angenommen hatten.
Auf der anderen Seite stand schon mein Koffer bereit. Ich war erstaunt, wie klein dieser Flughafen doch war. Als ich dem Ausgang entgegen kam, stand in der ersten Reihe Natalia Ivanovna. Sie ist eine kleine rundliche Frau, die sehr viel Herzlichkeit ausstrahlt. Neben ihr stand ein Mann um die 45, der, wie es sich herausstellte ihr Sohn war. Er nahm mir meinen Koffer ab und wir gingen zum Auto des Sohnes. Natalia (genannt auch Natascha) und ich wechselten ein paar Worte, die ich allerdings nicht verstanden habe. Das machte aber nichts, ich war ohnehin zu müde.

Das Auto war schon sehr abgenutzt und bestimmt war nichts an ihm mehr ein Original. Es hatte einen starken Tiefgang. Besonders jetzt, nachdem mein 25 Kilo Koffer mit meinem 15 Kilo Rucksack in ihm lagen. Wir fuhren los und sie fragten mich einige Sachen, die ich nicht so ganz verstand. Ich antwortete auf die meisten Fragen mit einem Achselzucken und sie lachten, weil ich ihre Sprache noch nicht konnte. Als sie mich fragten, wie der Flug war sagte ich dass er gut war. Danach sagten wir nichts mehr und ich schaute raus auf die wunderschöne Landschaft von Kasachstan. Die einspurige Autobahn führte uns durch weite Steppenlandschaften, wo hier und da ein paar Häuser und Strommasten standen.

Die ganze Zeit musste der Fahrer im Zickzack fahren, da sein Auto kein Schlagloch vertrug. Das machte er aber bei Geschwindigkeiten von 100 km/h und somit war das ganze sehr übelerregend. Nach einiger Zeit kamen wir an einer Stelle, wo ungewöhnlich viele rabenähnliche Vögel waren. Als wir dort vorbei fuhren, klatschte uns plötzlich ein Vogel gegen die Windschutzscheibe. Ich habe mich sehr erschrocken, doch die anderen haben gelacht. Der Sohn machte sich danach erstmal eine Zigarette an, um sich zu beruhigen. Er rauchte auf der zweistündigen Fahrt bestimmt 7 Zigaretten.
Kurz nach dem Vogelvorfall erreichten wir in Rudnyy. Der Ort liegt zwischen Kostanai und Tobol, dem nächsten größeren Ort von Novo-Ilyinovka. Es war eine kleine Stadt mit bröckeligen Häusern und einer halb aufgerissenen Straße, sie hatte geschätzte 20.000 Einwohner. Danach fuhren wir über eine Brücke, die über den Fluß Tobol führt.


Danach kamen wir über mehrer Bahnübergänge. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir in Tobol. Die Stadt sah ähnlich aus wie Rudnyy nur deutlich kleiner. Von dort waren es nur noch 20 Minuten nach Novo-Ilynovka.


Wir fuhren auf einen Feldweg, der aus irgendwelchen Gründen auf ein Feld neben dem Weg führte. Nach einiger Zeit ging es nicht mehr weiter und wir mussten anhalten. Wir wollten wieder auf den Feldweg fahren, der allerdings erhöht auf einer alten Bahntrasse war. So musste er das Auto einen Weg hochfahren, der eine Schräge von 45° hatte. Es rumste und etwas schleifte am Bauch des Fahrzeugs. Als wir anhielten und der Fahrer nachsah, was passiert war bemerkte er, dass der Benzinschlauch gerissen oder aus dem Fahrzeug gezogen wurde. Aus dem Schlauch sprudelte ununterbrochen Benzin, und es roch sehr streng. Nataschas Sohn nahm eine Hebelbank und hob das Auto an, um sich drunter zu schieben und mit einem Schraubenzieher bewaffnet den Schlauch wieder in seinen Nutzungsbereich reinzustecken.
Nach weiteren 10 Minuten kam er mit einem skeptischen Gesicht hervor. Ich zitterte etwas. Zum einen um meine Sachen und zum anderen um meine Gesundheit, da es erst 7 Uhr war und wegen der untypischen Wetterbedingungen in dieser Zeit es erst 9° waren. Nachdem er ins Auto gestiegen war und den Motor anschmiss, um zu sehen ob jetzt auch alles funktioniert, nachdem er es provisorisch repariert hatte, fuhren wir weiter und kamen in Novo-Ilyinovka an. Wir fuhren durch einige Straßen und waren bald in der Straße meiner Gastfamilie.
Ich nahm mein Gepäck aus dem Auto und ging mit ihnen ins Haus. Vorher zeigten sie mir, dass ich meine Schuhe ausziehen sollte. Ich tat wie mir gehießen. Im Haus lag ein ungewohnter Geruch in der Luft. Ich ging ins Wohnzimmer und mir wurde gezeigt, dass ich hier meine Sachen ablegen sollte. Ich merkte, als ich mir meine Umgebung genauer ansah, dass nirgends in der Wohnung Türen existierten. Überall am Türramen hingen Fäden, an denen wie bei einer Kette kleine Discokugeln so groß wie Murmeln befestigt waren. Beim Vorbeigehen bemerkte ich, dass in einem der Zimmer zwei Personen schliefen. Nach wenige Minuten wachten sie auf und mir wurde gesagt, dass das Zimmer, in denen sie geschlafen hatten ab jetzt mir gehören würde und ich meine Sachen hinein bringen sollte. Als ich das gemacht hatte, setzte ich mich auf mein Bett und freute mich, endlich angekommen zu sein. Hier in Novo-Ilyinovka.