Auf ins Reich der Mitte, China Teil 1

Anflug auf Peking

Wenn ihr das lest, bin ich schon in Sotschi am Meer. Weil ich mich schon lange nicht mehr hier gemeldet habe, gibt es jetzt eine Überraschung: Ich berichte von meiner Reise nach China im Sommer 2018. (@Oma: Das kann man vorher einstellen.) Zwar habe ich schon lange angefangen, Blogbeiträge zu schreiben und auch die Organisation hat ihren Bericht bereits bekommen. Aber… Das Leben als Austauschschüler ist voller Ablenkungen.

Hier also kommt mein Bericht zu meiner Reise nach China 2018, Teil 1:

Heute (20. Juli) geht es endlich los, heute fahr ich endlich nach China. Ich freue mich schon seit Beginn meiner Sommerferien auf diese Reise, durch die ich hoffentlich viele Menschen und ihre Lebensumstände kennenlernen werden.

Für meine Eltern ist es natürlich ein vorgezogener Abschied, da uns ein Monat Zeit verloren geht, bevor ich am 24. August endgültig nach Russland für ein Jahr aufbreche. Unseren letzten gemeinsamen Morgen vor der Reise verbrachten wir deshalb mit einem großen Familienfrühstück. So konnten wir noch einmal richtig lebewohl sagen und mit dem Stress der Vorbereitung auf die beiden großen Abenteuer endlich abschließen.

Bald darauf wurde ich von meinem Patenonkel zum Flughafen Tegel gebracht. Weil die Zeitungen voll von schrecklichen Berichten zu „Infrastrukturschwierigkeiten“ waren (sprich: Berliner Chaos) war ich zweieinhalb Stunden früher da. Fehler. Als ich nun also viel zu früh am Gate saß und darauf wartete, dass endlich mein Flug abfliegen würde, wurde uns gesagt, dass wir 45 Minuten Verspätung haben. Also wartete ich insgesamt 3 Stunden und 15 Minuten, damit ich irgendwann 1 Stunde nach Frankfurt fliege.

Endlich im Flugzeug angekommen, waren die ersten nervös, da sie wie ich ihren Anschlussflug in Frankfurt bekommen mussten. So hetzten alle ins Flugzeug, ohne jedoch den prominenten Gast zu bemerken, der vorne in der Buisiness-Class saß und dort gleich am Gang wohl auf etwas Publicity hoffte. Es war Christian Ulmen. Wäre der Flug nicht voller aggressiver Berliner gewesen, die ganz schnell auf die Malediven mussten, hätte ich beinahe ein Selfie mit ihm gemacht. Mein Vater ist ein großer Fan.

Laternen China

Der Flug ging dann ohne Probleme vonstatten und so waren wir dann auch in einer Dreiviertelstunde am Frankfurter Flughafen. Angekommen sah ich mich schnell um, denn ich musste von Terminal A zu Terminal Z kommen. Ich dachte, ich müsse meine Beine jetzt in die Hand nehmen, um noch meinen Anschluss zu bekomen, der in weniger als eine Stunde Boarding hatte. Erstaunlicherweise befand sich das Gate dann im darüberliegenden Stockwerk. Kurzer Weg von A bis Z.

Unsere Reisegruppe bestand aus 12 Jugendlichen und einem Betreuer der Organisation Youth for Understanding (YFU), die für die Organisation der Reise zuständig war. Die Stiftung Mercator hat das Projekt finanziell unterstützt, zum Glück, denn sonst hätte ich gar nicht mitfahren können.

Am Gate fand ich zu meiner Überraschung meine Reisegruppe nur sehr dezimiert vor. Von den Betreuern erfuhr ich, dass ich zu den ersten gehörte. Als nun meine Gruppe vollständig war und das reichlich knapp nach meinem Befinden stiegen wir ein.

Sofort als ich das Flugzeug betreten und meinen Sitzplatz gefunden habe, kommt meine Sitznachbarin zu mir. Anscheinend ist sie Chinesin, denn sie redet mich sofort auf Chinesisch an. Sie lacht und es scheint mir, als hätte sie einen Witz gemacht. Ich bemerke, dass sie um die 12 Jahre alt sein muss und ihre Eltern auf der anderen Seite des Ganges sitzen. Als sie mich dann wiederum anspricht, kläre ich sie über mein nicht Chinesisch sein auf. Sie macht ein langgeszogenes „oooooooooooohhhhh“. Ich kann ihre Überraschung verstehen, denn über 80% der Lufthansamaschine wird von Chinesen eingenommen. Tja, nicht jeder Deutsche ist blond und blauäugig.

Auf der Mauer

 

Auf nach Novo-Ilyinovka (2): Mit dem Klapperross ins Feld

Sonnenaufgang_Kasachstan

Als der Flieger landet, bin ich verwirrt. Hatten wir eine Notlandung auf einem Feld? Wo ist der Flughafen, wo ist der Steg der sich immer ans Flugzeug andockt? Ich seh ein paar Lichter, dann ein paar Häuser. Häuser, aber keine Flugzeuggebäude. Dann seh ich eine Flugzeugtreppe. Sie fährt an das Flugzeug heran. Alle springen auf und warten ungeduldig, dass sie aussteigen können. Zuerst kommt eine Ansage auf Kasachisch, die erstmal mehrere Male wiederholt wird, bis sie weiter auf Russisch umspringt. Endlich gibt es die Infos auch für mich verständlich auf Englisch. Der Bus hatte Verspätung, deshalb sollten wir noch ein wenig Geduld haben. Im Nachhinein war das eine lustige Aussage, da das Gebäude, welches den Flugzeughafen darstellte, kaum weiter weg war als 50 Meter. Ohnehin war unser Flugzeug das einzige auf dem ganzen Flughafen.

Holzgebaeude_Kasachstan

Endlich kam der Bus und wir konnten alle aussteigen.  Er fuhr die schon erwähnten 50 Meter und alle stiegen aus, um sich in den winzigen Transitbereich zu quetschen. Jeder Einreisende muss einen Zettel ausfüllen,  auf dem er alles angibt was er von ausserhlb mitgebracht hat. Man muss auch Namen, Adresse, ob man eine Krankenkarte hat und vieles mehr angeben. Den ausgefüllten Zettel muss man mit seinem Pass an der Passkontrolle vorzeigen. Ich brauchte das nicht, da ich noch unter 16 Jahre alt bin.

Als ich dran war, dauerte es länger, da ich ja alleine in das Land einreiste. Ich gab dem Grenzpolizisten die Erlaubnis von meiner Mutter, dass ich alleine einreisen und mit Leuten, die mich von Ort zu Ort bringen, mitfahren darf. Es dauerte eine Viertelstunde,, bis ich durch die Kontrolle gelassen wurde. Ich schwitzte Blut und Wasser. Ich dachte schon die lassen mich wohl nie durch. Gottseidank konnte ich die Kontrolle passieren, nachdem sich fast alle Grenzpolizisten meiner angenommen hatten.

Auf der anderen Seite stand schon mein Koffer bereit. Ich war erstaunt, wie klein dieser Flughafen doch war. Als ich dem Ausgang entgegen kam, stand in der ersten Reihe Natalia Ivanovna. Sie ist eine kleine rundliche Frau, die sehr viel Herzlichkeit ausstrahlt. Neben ihr stand ein Mann um die 45, der, wie es sich herausstellte ihr Sohn war.  Er nahm mir meinen Koffer ab und wir gingen zum Auto des Sohnes. Natalia (genannt auch Natascha) und ich wechselten ein paar Worte, die ich allerdings nicht verstanden habe. Das machte aber nichts, ich war ohnehin zu müde.

Autofahrt_Kasachstan_2

Das Auto war schon sehr abgenutzt und  bestimmt war nichts an ihm mehr ein Original. Es hatte einen starken Tiefgang. Besonders jetzt, nachdem mein 25 Kilo Koffer mit meinem 15 Kilo Rucksack in ihm lagen. Wir fuhren los und sie fragten mich einige Sachen, die ich nicht so ganz verstand. Ich antwortete auf die meisten Fragen mit einem Achselzucken und sie lachten, weil ich ihre Sprache noch nicht konnte. Als sie mich fragten, wie der Flug war sagte ich dass er gut war. Danach sagten wir nichts mehr und ich schaute raus auf die wunderschöne Landschaft von Kasachstan. Die einspurige Autobahn führte uns durch weite Steppenlandschaften, wo hier und da ein paar Häuser und Strommasten standen.

Steppe_Kasachstan

Die ganze Zeit musste der Fahrer im Zickzack fahren, da sein Auto kein Schlagloch vertrug. Das machte er aber bei Geschwindigkeiten von 100 km/h und somit war das ganze sehr übelerregend. Nach einiger Zeit kamen wir an einer Stelle, wo ungewöhnlich viele rabenähnliche Vögel waren. Als wir dort vorbei fuhren, klatschte uns plötzlich ein Vogel gegen die Windschutzscheibe. Ich habe mich sehr erschrocken, doch die anderen haben gelacht. Der Sohn machte sich danach erstmal eine Zigarette an, um sich zu beruhigen. Er rauchte auf der zweistündigen Fahrt bestimmt 7 Zigaretten.

Kurz nach dem Vogelvorfall erreichten wir in Rudnyy. Der Ort liegt zwischen Kostanai und Tobol, dem nächsten größeren Ort von Novo-Ilyinovka. Es war eine kleine Stadt mit bröckeligen Häusern und einer halb aufgerissenen Straße, sie hatte geschätzte 20.000 Einwohner. Danach fuhren wir über eine Brücke, die über den Fluß Tobol führt.

Ksachstan_Straße_Kostanai_Tobol

P1030060.JPG

Danach kamen wir über mehrer Bahnübergänge. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir in Tobol. Die Stadt sah ähnlich aus wie Rudnyy nur deutlich kleiner. Von dort waren es nur noch 20 Minuten nach Novo-Ilynovka.

Zug_Tobol_Kasachstan

Kasachstan_Zug_Tobol

Wir fuhren auf einen Feldweg, der aus irgendwelchen Gründen auf ein Feld neben dem Weg führte. Nach einiger Zeit ging es nicht mehr weiter und wir mussten anhalten. Wir wollten wieder auf den Feldweg fahren, der allerdings erhöht auf einer alten Bahntrasse war. So musste er das Auto einen Weg hochfahren, der eine Schräge von 45° hatte. Es rumste und etwas schleifte am Bauch des Fahrzeugs. Als wir anhielten und der Fahrer nachsah, was passiert war bemerkte er, dass der Benzinschlauch gerissen oder aus dem Fahrzeug gezogen wurde. Aus dem Schlauch sprudelte ununterbrochen Benzin, und es roch sehr streng. Nataschas Sohn nahm eine Hebelbank und hob das Auto an, um sich drunter zu schieben und mit einem Schraubenzieher bewaffnet den Schlauch wieder in seinen Nutzungsbereich reinzustecken.

Nach weiteren 10 Minuten kam er mit einem skeptischen Gesicht hervor. Ich zitterte etwas. Zum einen um meine Sachen und zum anderen um meine Gesundheit, da es erst 7 Uhr war und wegen der untypischen Wetterbedingungen in dieser Zeit es erst 9° waren. Nachdem er ins Auto gestiegen war und den Motor anschmiss, um zu sehen ob jetzt auch alles funktioniert, nachdem er es provisorisch repariert hatte, fuhren wir weiter und kamen in Novo-Ilyinovka an. Wir fuhren durch einige Straßen und waren bald in der Straße meiner Gastfamilie.

Ich nahm mein Gepäck aus dem Auto und ging mit ihnen ins Haus. Vorher zeigten sie mir, dass ich meine Schuhe ausziehen sollte. Ich tat wie mir gehießen. Im Haus lag ein ungewohnter Geruch in der Luft. Ich ging ins Wohnzimmer und mir wurde gezeigt, dass ich hier meine Sachen ablegen sollte. Ich merkte, als ich mir meine Umgebung genauer ansah, dass nirgends in der Wohnung Türen existierten. Überall am Türramen hingen Fäden, an denen wie bei einer Kette kleine Discokugeln so groß wie Murmeln befestigt waren. Beim Vorbeigehen bemerkte ich, dass in einem der Zimmer zwei Personen schliefen. Nach wenige Minuten wachten sie auf und mir wurde gesagt, dass das Zimmer, in denen sie geschlafen hatten ab jetzt mir gehören würde und ich meine Sachen hinein bringen sollte. Als ich das gemacht hatte, setzte ich mich auf mein Bett und freute mich, endlich angekommen zu sein. Hier in Novo-Ilyinovka.

 

Auf nach Novo-Ilyinovka (1): Mit dem Adler gen Sonne

Heute sollte es soweit sein. Auf nach Kasachstan. Zum Abschied fahre ich mit meinem Patenonkel und meiner Oma in den schönen Charlottenburger Schlosspark.

Wir schauen uns zusammen das Mausoleum an. Danach Kaffee trinken. Meine Oma ist so aufgeregt dass sie es nicht ertragen kann mich zu verabschieden und wandert mir davon. Als auch ich von meinen Verwandten und meinem geliebten Berlin Abschied genommen hatte, geht es zum Flughafen Hannover. Dort fliegt Air Astana und der einzige Direktflug von Deutschland nach Kostanai. (Aber nur im Sommer.)

Mit dem Auto kommen wir relativ gut und ohne Zwischenstopps durch und sind auch schon bald am Flughafen. Er ist kleiner als erwartet. Obwohl ich das schwer beurteilen kann, da ich in meinem Leben immer nur von Großstadtflughäfen geflogen bin.

Wir laufen zu meinem Check-in, wo schon gefühlt 500 kasachische Mitbürger mit deutschen Pässen wedelnd ihren Sitzplatz verlangen.

Ich seh jetzt schon was auf mich zukommen wird. Jegliche Umterhaltung wird auf Russisch geführt. Ich verstehe wenn ich Glück hab einig Wörter mit deren Hilfe ich mir einen Sinn zusammenreime.

Als ich dort stehe kommt eine Frau auf mich zu und fragt ob ich der Junge bin, der nach Kasachstan fahren will. Ich gucke sie verwirrt an. Will hier nicht jeder nach Kasachstan? Doch dann fragt sie weiter, ob ich der von Novo-Ilyinovka und Natalia Ivanovna bin. Jetzt fällt es mir wie von Schuppen von den Augen. Natalia Ivanovna ist die Frau bei der ich wohnen werde. Und zugleich meine zukünftige Lehrerin!

Meine Mutter und sie hatten oft lange Telefongespräche. Da Natalia früher einmal stellvertretende Direktorin der Schule von Novo-Ilyinovka war, hat sie Kontakt zu vielen ihrer Schüler, die im Ausland leben. So erfuhr sie, dass ein Ehepaar aus Düsseldorf, welches bei Natalia in der Schule war, mit ihrer Tochter und zwei Enkelkindern ebenfalls den Direktflug von Hannover nach Kostanai nehmen. So sagte sie ihnen, dass sie mir auf meiner Fahrt helfen sollten.

Ich stand nun am Check-in mit meinem Koffer und meinem Rucksack, die zusammen bestimmt eine Tonne wiegen. Zusammen mit der Familie wartete ich darauf unser Gepäck abzugeben. Wir fingen ein paar nette Gespräche an und wurden uns sympathisch.

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Nach langem Warten wurde unser Gepäck endlich von einer schlecht gelaunten Frau entgegengenommen. Danach ging ich mit meinem Patenonkel noch etwas essen. An der Passkontrolle verabschiedete ich mich schließlich von ihm und trat meine lange Reise an.

Im Flugzeug versuchte ich mich mit Englisch und wildem Gestikulieren zu verständigen was allerdings meist auf anderer Seite scheiterte. Alles im Flugzeug war dreisprachig. Es stand dort auf Kasachisch, auf Russisch und auf Englisch.

Air_Astana

Der Adler hebt ab. Ich fühle mich erleichtert. Wir fliegen dem Sonnenuntergang entgegen. Bald bin ich in Kasachstan.