Die Freuden der Butterwoche

Letzten Sonntag ist die Masleniza-Woche zuende gegangen. Auf deutsch ist das die Butterwoche. Es ist ein altes slawisches Fest, das noch aus der vorchristlichen Zeit stammt. Zur Maleniza gehören viele Blini (Pfannkuchen/Eierkuchen/Crepes) und Besuche bei Verwandten, Freunden und Bekannten. Natürlich gibt es in manchen Familien noch mehr Traditionen, die man aber von außen nicht mitbekommt.

Blini isst man mit Smetana (Rahm), Kaviar oder Marmelade. Der russische Klassiker ist mit süßer Kondensmilch. Der Blini-Teig ist aus Eiern, Milch und Mehl. Sie werden mit wenig Fett in der Pfanne gebacken und hinterher mit Butter bestrichen. Ich liebe die Blini meiner Gastmutter, sie sind die allerbesten.

Außerdem gehören zur Masleniza Folklore, Gesang und Tanz. Deshalb besuchte ich mit einigen anderen AFS Austauschschülern ein Konzert in Volgograd, im philharmonischen Konzerthaus. Einige von ihnen haben diese recht spezielle russische Musik zum ersten Mal gehört und sind von den scheinbar gleichförmigen Klängen erst einmal eingeschlafen. Mir hat das Konzert sehr gut gefallen.

Am Sonntag gipfelten die Festivitäten in zwei großen Feiern in den zwei großen Parks unserer Stadt Volzshsky. Ich besuchte die Feier im Wasserkraftwerk-Park bei mir in der Nähe. Das Wasserkraftwerk ist der Grund, warum die Stadt Anfang der 50er Jahre überhaupt gebaut wurde, deshalb ist das ein ganz einleuchtender Name und klingt auf Russisch auch ganz normal. Auf einer großen Bühne im Park traten verschiedene Folklore-Gruppen auf. Höhepunkt war ein Blini-Wettessen, an dem sogar einer unserer AFS Austauschschüler teilgenommen hat.

Vor der Bühne stand ein großer Stamm, auf dessen oberen Ende ein hölzerner Hahn montiert war. Dort kletterten Männer, die nur sehr notdürftig mit einem Seil gesichert waren, hinauf. Falls sie den Hahn ganz oben erreichen, bekommen sie ein Geschenk. So haben es mir meine Gasteltern erklärt. Doch in meiner Anwesenheit gelang das niemandem, obwohl einige ihr Glück versucht haben.

masleniza

In der zentralen Allee des Parkes, der Fontänen-Allee, stand eine Strohpuppe auf einer Art Scheiterhaufen. Schon bei meiner Ankunft wunderte ich mich über dieses Bild, was mich doch sehr an die Hexenverbrennungen erinnerte. Und so überraschte es mich wenig, dass die Puppe dann irgendwann angezündet wurde.

Alle versammelten sich dabei um diese Figur und warteten auf den Moment der ersten Flamme. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wenn man diesen Brauch zum ersten Mal erlebt. Dieses Ritual soll den Winter vertreiben. Auf mich wirkte es aber trotzdem wie eine Hexenverbrennung mit einer enormen Sensationslust.

Nachdem die Puppe entzündet wurde und ihre gesamte Kleidung in Flammen stand, setzte sich eine riesige Menschenmasse in Bewegung und strebte den Parkausgängen entgegen. So schlossen auch wir uns an. Bei dieser Gelegenheit lernte ich eine neue Seite der Masleniza kennen: Den Spaziergang. Denn viele Leute gingen zu Freunden, Verwandten und Bekannten. Andere, so wie wir, machten einen Spaziergang mit der ganzen Familie.

Wir liefen aus dem Park hinaus die Fontänen-Allee entlang und weiter zu den neu angelegten Terrassen am Rand der Altstadt. Dort geht es 20 bis 30 Meter in die Tiefe. Man hat einen schönen Blick auf die Stadt Volgograd (=Stalingrad), die auch auf einem Hügel gebaut wurde und Volzshky gegenüber liegt. Anschließend ging es die Terrassenanlage hinunter bis zum Strand am Fluss Akhtuba.

Meine Gasteltern erinnerten sich auf dem Weg an viele emotionale Momente, die sie mit den einzelnen Orten verbinden. So lernte ich viel über Volzhsky und fühle mich jetzt noch heimischer hier.

Auf dem Rückweg in Richtung „Sputnik“ (ein Vergnügungszentrum) kauften wir uns noch Milchshakes, da meine Gastmutter unbedingt welche wollte. So schlossen wir diesen Teil der Festivitäten ab. Jetzt bereiten wir uns auf die vorösterliche Fastenzeit vor. Die Butterwoche ist also ein bisschen wie der Karneval in Deutschland, wenn auch mit anderen Traditionen.

Abenteuer Schattentheater, China Teil 4

Schattentheater

Schatten und Licht

Aber wir waren ja nicht nur zum Essen in China. Gemeinsam mit 12 chinesischen Jugendlichen beschäftigten wir uns zwei Wochen lang mit chinesischen Theatertraditionen und vor allem dem Schattentheater.

Schattentheater 2

Hierbei lernten wir aber nicht nur die traditionellen Facetten des Schattentheaters kennen. Im Workshop beschäftigten wir uns auch damit, uns theatralisch zu entfalten. Neben Übungen zum Lockerwerden gehörten dazu auch Improvisationen. Uns wurde zudem eine traditionelle Aufführung gezeigt mit Musik und allem „Drum und Dran“. Dann durften wir uns selbst eine Geschichte ausdenken und die echten Figuren von den professionellen Puppenspielern nutzen.

Kalligraphieworkshop

Kalligraphieworkshop

Sehr viel Spaß gemacht hat mir der Workshop in Kalligraphie. Das hatte ich schon einmal bei einer Schulprojektwoche ausprobiert, das von der Mutter einer chinesischen Klassenkameradin angeleitet wurde. Deshalb hatte ich mich darauf besonders gefreut und wurde nicht enttäuscht. Ich kann jetzt meinen Namen auf Chinesisch schreiben – und der hat ganz schön viele Silben. Denn westliche Namen werden in China mit Zeichen geschrieben, die so ähnlich ausgesprochen werden wie die deutschen Silben. Dann kommt eben der ein oder andere Laut dazu.

Fächer Peking

Am gleichen Abend hatten wir dann noch einen Workshop zum Thema Schattentheater. Dieser war jedoch besonders, da wir nicht nur unsere eigene Geschichte entwickeln konnten, sondern auch die Figuren selbst gestaltet haben. Das hat mir besonders Spaß gemacht.

Zwischendurch machten wir eine Pause, in der wir Wantan machten. Natürlich aßen wir diese dann auch. Das war leider oft nicht so einfach, da durch unsere nicht vorhandene Erfahrung beim Essen das Fleisch aus dem Teig fiel. Dieser Tag ist mir im Gedächtnis geblieben, und ich hätte mir mehr Zeit an diesem wundervollen Ort gewünscht.

Die Straßen von Peking

Die einzelnen Seminare haben uns sehr unterschiedliche Aspekte über Land und Leute vermittelt – auch das „Drumrum“ spielte dabei eine Rolle. So war es für die meisten der deutschen Jugendlichen eine Überraschung, dass nur drei der Gastfamilien zur Abschlussvorführung unseres Schattentheaterprojekts gekommen sind. Obwohl viele von ihnen eigene Kinder im Kurs hatten. Das kann ich mir in Deutschland nur sehr schwer vorstellen. Die meisten Eltern, die ich kenne, nehmen sich sogar frei, wenn es eine Aufführung gibt, egal welche.

Ich habe deshalb nachgefragt und erfahren, dass für die meisten chinesischen Eltern vor allem zählt, was für die Schule „etwas bringt“. Das Schattentheaterprojekt war außerhalb der Schule, also nicht so wichtig. So fragte mich meine Gastfamilie zum Beispiel, ob ich bessere Noten bekomme, weil ich an dem Kurzaustauschprogramm teilnehme. Sie waren sehr erstaunt, dass das natürlich nicht so ist. Und noch mehr, als ich erklärte, warum ich das trotzdem für nützlich für mein Leben halte und dass das meine Eltern das auch so sehen. Andere Länder, andere Sitten.

Auf ins Reich der Mitte, China Teil 1

Anflug auf Peking

Wenn ihr das lest, bin ich schon in Sotschi am Meer. Weil ich mich schon lange nicht mehr hier gemeldet habe, gibt es jetzt eine Überraschung: Ich berichte von meiner Reise nach China im Sommer 2018. (@Oma: Das kann man vorher einstellen.) Zwar habe ich schon lange angefangen, Blogbeiträge zu schreiben und auch die Organisation hat ihren Bericht bereits bekommen. Aber… Das Leben als Austauschschüler ist voller Ablenkungen.

Hier also kommt mein Bericht zu meiner Reise nach China 2018, Teil 1:

Heute (20. Juli) geht es endlich los, heute fahr ich endlich nach China. Ich freue mich schon seit Beginn meiner Sommerferien auf diese Reise, durch die ich hoffentlich viele Menschen und ihre Lebensumstände kennenlernen werden.

Für meine Eltern ist es natürlich ein vorgezogener Abschied, da uns ein Monat Zeit verloren geht, bevor ich am 24. August endgültig nach Russland für ein Jahr aufbreche. Unseren letzten gemeinsamen Morgen vor der Reise verbrachten wir deshalb mit einem großen Familienfrühstück. So konnten wir noch einmal richtig lebewohl sagen und mit dem Stress der Vorbereitung auf die beiden großen Abenteuer endlich abschließen.

Bald darauf wurde ich von meinem Patenonkel zum Flughafen Tegel gebracht. Weil die Zeitungen voll von schrecklichen Berichten zu „Infrastrukturschwierigkeiten“ waren (sprich: Berliner Chaos) war ich zweieinhalb Stunden früher da. Fehler. Als ich nun also viel zu früh am Gate saß und darauf wartete, dass endlich mein Flug abfliegen würde, wurde uns gesagt, dass wir 45 Minuten Verspätung haben. Also wartete ich insgesamt 3 Stunden und 15 Minuten, damit ich irgendwann 1 Stunde nach Frankfurt fliege.

Endlich im Flugzeug angekommen, waren die ersten nervös, da sie wie ich ihren Anschlussflug in Frankfurt bekommen mussten. So hetzten alle ins Flugzeug, ohne jedoch den prominenten Gast zu bemerken, der vorne in der Buisiness-Class saß und dort gleich am Gang wohl auf etwas Publicity hoffte. Es war Christian Ulmen. Wäre der Flug nicht voller aggressiver Berliner gewesen, die ganz schnell auf die Malediven mussten, hätte ich beinahe ein Selfie mit ihm gemacht. Mein Vater ist ein großer Fan.

Laternen China

Der Flug ging dann ohne Probleme vonstatten und so waren wir dann auch in einer Dreiviertelstunde am Frankfurter Flughafen. Angekommen sah ich mich schnell um, denn ich musste von Terminal A zu Terminal Z kommen. Ich dachte, ich müsse meine Beine jetzt in die Hand nehmen, um noch meinen Anschluss zu bekomen, der in weniger als eine Stunde Boarding hatte. Erstaunlicherweise befand sich das Gate dann im darüberliegenden Stockwerk. Kurzer Weg von A bis Z.

Unsere Reisegruppe bestand aus 12 Jugendlichen und einem Betreuer der Organisation Youth for Understanding (YFU), die für die Organisation der Reise zuständig war. Die Stiftung Mercator hat das Projekt finanziell unterstützt, zum Glück, denn sonst hätte ich gar nicht mitfahren können.

Am Gate fand ich zu meiner Überraschung meine Reisegruppe nur sehr dezimiert vor. Von den Betreuern erfuhr ich, dass ich zu den ersten gehörte. Als nun meine Gruppe vollständig war und das reichlich knapp nach meinem Befinden stiegen wir ein.

Sofort als ich das Flugzeug betreten und meinen Sitzplatz gefunden habe, kommt meine Sitznachbarin zu mir. Anscheinend ist sie Chinesin, denn sie redet mich sofort auf Chinesisch an. Sie lacht und es scheint mir, als hätte sie einen Witz gemacht. Ich bemerke, dass sie um die 12 Jahre alt sein muss und ihre Eltern auf der anderen Seite des Ganges sitzen. Als sie mich dann wiederum anspricht, kläre ich sie über mein nicht Chinesisch sein auf. Sie macht ein langgeszogenes „oooooooooooohhhhh“. Ich kann ihre Überraschung verstehen, denn über 80% der Lufthansamaschine wird von Chinesen eingenommen. Tja, nicht jeder Deutsche ist blond und blauäugig.

Auf der Mauer